Sozioökonomische Faktoren beeinflussen die Karieserfahrung
Zahnkaries ist eine nicht-übertragbare Krankheit, deren Prävalenz stark mit sozioökonomischen Faktoren zusammenhängt. Diese können individuell und durch das persönliche Umfeld bestimmt werden. Doch auch die Gesundheits- und Sozialpolitik eines Landes, kulturelle und gesellschaftliche Werte und epidemiologische Voraussetzungen können die Mundgesundheit und das Auftreten von Karies bei Kindern und Jugendlichen beeinflussen.
Obwohl die Kariesprävalenz in Europa in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist, sind starke Ungleichheiten zu beobachten. So ist die Karieserfahrung in Süd- und Osteuropa sowie in sozial und wirtschaftlich benachteiligten Bevölkerungsgruppen überdurchschnittlich hoch. Gründe dafür sind z. B. ein schlechter Zugang zur zahnmedizinischen Versorgung sowie die Tendenz, akute statt vorbeugende Zahnbehandlungen in Anspruch zu nehmen.
Das Verständnis des sozioökonomischen Kontexts ermöglicht effiziente und evidenzbasierte Präventionsstrategien für die Mundgesundheit. Aus diesem Grund beleuchtet diese Studie die Kariesprävalenz bei 12-Jährigen in der europäischen Region und bewertet den Einfluss sozioökonomischer Faktoren der Länder.
Analyse von Daten aus dem Zeitraum 2011 bis 2022
Die systematische Überprüfung umfasst 61 epidemiologische Erhebungen zum Kariesstatus von 12-Jährigen zwischen 2011 und 2022. Die Auswahl und Bewertung der Studien sowie die Datenextraktion erfolgten nach gängigen Kriterien (PRISMA). Der Kariesindex (DMFT) wurde in Bezug auf sozioökonomische Faktoren der Länder wie das Bruttonationaleinkommen, den Wohlstandsindikator HDI (Index der menschlichen Entwicklung), die Arbeitslosenquote und Pro-Kopf-Ausgaben für Zahngesundheit analysiert. Ein DMFT ≤ 1 wurde als geringe Karieserfahrung kategorisiert, DMFT >1 bis ≤ 2 als mittelhoch, DMFT > 2 bis ≤ 3 als hoch und > 3 als sehr hoch.
Unter Verwendung eines Zufallseffektmodells wurde eine Metaanalyse für Länder durchgeführt, die Daten zum DMFT meldeten, stratifiziert nach Bruttonationaleinkommen und geografischer Lage.
Insgesamt wurden Daten von 493.360 Kindern aus wissenschaftlichen und öffentlichen Erhebungen in 36 Ländern der europäischen Region ausgewertet. Die Stichprobengröße reichte von 22 Personen in Belgien bis zu 89.442 in einer Studie aus dem Vereinigten Königreich.
Länder mit hohem Einkommen schneiden am besten ab, Osteuropa am schlechtesten
Der Kariesindex zeigte einen statistisch signifikanten Zusammenhang mit dem Bruttonationaleinkommen der Länder: Je niedriger das Einkommen, desto höher die Karieserfahrung. Kinder in Ländern mit höherem Einkommen hatten ein um 90 Prozent geringeres Risiko für eine schlechte Mundgesundheit als Kinder aus Ländern mit mittlerem Einkommen (p < 0,01). Der durchschnittliche Kariesindex nach Kategorie des Bruttonationaleinkommens (BNE) betrug 0,85 (BNE > 25.000 USD), 2,49 (BBE 15.001–25.000 USD) bzw. 3,17 (BNE ≤ 15.000 USD).
Insgesamt wiesen westeuropäische Länder die geringste Karieshäufigkeit auf (durchschnittlicher DMFT 0,80), gefolgt von nordeuropäischen Ländern (DMFT 1,30; p < 0,01). In Ost- und Südeuropa war die Karieserfahrung mit einem DMFT von 2,87 bzw. 2,31 am höchsten. Kinder in westeuropäischen Ländern hatten damit ein um 95 Prozent geringeres Risiko für eine Munderkrankung als Kinder im Osten oder Süden Europas. Der mittlere DMFT aller Länder betrug 2,10. Während alle westeuropäischen Länder darunter lagen, erreichten nur drei osteuropäische Länder einen geringeren Wert.
Weitere klare Zusammenhänge zeigten sich zwischen dem Kariesindex und der Arbeitslosenquote (p < 0,05) sowie dem Wohlstandsindikator HDI (p < 0,01). Weiter hatten alle Länder mit Pro-Kopf-Ausgaben für Zahngesundheit von mehr als 100 USD einen niedrigeren mittleren Kariesindex als 2,10.
Fazit
Auch auf nationaler Ebene zeigen sozioökonomische und politische Faktoren wie Bruttonationaleinkommen, geografische Lage, Arbeitslosenquote und staatliche Unterstützung einen starken Zusammenhang mit der Mundgesundheit von Kindern. In den meisten europäischen Ländern wird die zahnmedizinische Gesundheitsversorgung für Kinder fast vollständig übernommen, es gibt jedoch viele Unterschiede in Bezug auf die Finanzierung oder Behandlungsabdeckung.
Munderkrankungen wie Karies können durch präventive, prophylaktische und minimalinvasive Eingriffe reduziert und gestoppt werden. Die Autoren der Studie nehmen die Ergebnisse deshalb zum Anlass, bessere Präventionsstrategien zur Förderung der Mundgesundheit in europäischen Ländern anzuregen, die Schwierigkeiten bei der Finanzierung ihrer Gesundheitssysteme haben. Ungleichheiten bei der Mundgesundheit sind ihrer Meinung nach durch politische Maßnahmen und die Zuweisung angemessener Ressourcen vollständig vermeidbar.
Quellen:
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Vukovic A1,2, Schmutz KA2, Borg-Bartolo R2, Cocco F3, Rosianu RS4, Jorda R5, Maclennon A2, Cortes-Martinicorenas JF6, Rahiotis C7, Madléna M8, Arghittu A2, Dettori M1,2, Castiglia P2, Esteves-Oliveira M9, Cagetti MG10, Wolf TG2,11, Campus G2,3,12; guglielmo.campus@unibe.ch
1Department of Pediatric and Preventive Dentistry, School of Dental Medicine, University of Belgrade, Belgrade, Serbia; 2Department of Restorative, Preventive and Pediatric Dentistry, University of Bern, Bern, Switzerland; 3Department of Surgery, Microsurgery and Medicine Sciences, School of Dentistry, University of Sassari, Sassari, Italy; 4Department of Preventive, Community Dentistry and Oral Health, Faculty of Dentistry, University of Medicine and Pharmacy "Victor Babes", Timisoara, Romania; 5Institute of German Dentists (IDZ), Cologne, Germany; 6Ex-Facultad de Odontología, Universidad de Barcelona, Pamplona, Spain; 7Department of Operative Dentistry, National and Kapodistrian University of Athens, Athens, Greece; 8Department of Community Dentistry, Faculty of Dentistry, Semmelweis University, Budapest, Hungary; 9Department of Conservative Dentistry, Periodontology and Endodontology, University Centre of Dentistry, Oral Medicine and Maxillofacial Surgery (UZMK), University of Tübingen, Tübingen, Germany; 10Department of Biomedical, Surgical and Dental Sciences, University of Milan, Milan, Italy; 11Department of Periodontology and Operative Dentistry, University of Mainz, Mainz, Germany; 12Department of Cariology, Saveetha Dental College and Hospitals, SIMATS, Chennai, India.
Caries status in 12-year-old children, geographical location and socioeconomic conditions across European countries: A systematic review and meta-analysis.
Int J Paediatr Dent. 2024 Jun 16. doi:10.1111/ipd.13224