Informationskreis Mundhygiene und Ernährungsverhalten

Gut lachen mit gesunden Zähnen

Richtige Mundhygienefür gesunde Zähne und vitales Zahnfleisch

Unbeschwert essen, trinken und lachen mit gesunden Zähnen

Kongress der EAPD 2020: Frühkindliche Karies - Strategien zur Vorbeugung

Kinderzahnärzte sehen jeden Tag ausgeprägte frühkindliche Karies (Early Childhood Caries, ECC). Anders als viele Eltern denken, „verwächst“ sich das Problem mit der Zeit nicht, sondern nimmt im Laufe der Zeit häufig zu und zeigt sich auch bei den bleibenden Zähnen. Die Kinder haben Schmerzen und eine beeinträchtigte Lebensqualität. Das wäre in vielen Fällen vermeidbar. Neben einer guten Mundhygiene ist es von großer Bedeutung, die Eltern „mit ins Boot zu holen“.

 

Das Projekt „Strong Teeth Make Strong Kids“ der Universität Leeds: Kariesprävention bei Kindern im Alter von null bis fünf Jahren

Das Projekt wurde auf dem virtuellen 15. Kongress der europäischen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (EAPD) präsentiert. Ziel ist, durch eine empathische und individuell angepasste Gesprächsführung positive Gewohnheiten für die Vorbeugung von Karies so früh wie möglich auf interaktive Weise zu entwickeln. Darin ist das gesamte Team – von der Anmeldung bis zum Zahnarzt – involviert.[1]

Eltern reagieren oft unbesorgt, wenn sie auf beginnende Kariesläsionen der Milchzähne hingewiesen werden. Sie empfinden die weißen Flecken unter Umständen nicht als bedenklich und argumentieren, dass die Milchzähne sowieso bald ausfallen. Zudem mögen manche der empfohlenen vorbeugenden Maßnahmen von außen betrachtet einfach sein, können den Eltern aber sehr schwierig erscheinen, beispielsweise eine Veränderung der Ernährung. Anfangs ist Widerstand normal, und es ist wichtig, ihn zu erkennen, denn gegen den Widerstand der Eltern lässt sich wenig erreichen. In solchen Fällen kann es helfen, unbesorgten oder widerstrebenden Eltern eine andere Perspektive zu geben, um ihre Aufmerksamkeit und die Bereitschaft zur Mitarbeit zu wecken: Beispielsweise kann man Eltern, die offenbar viel Wert auf ihre äußere Erscheinung legen, darauf hinweisen, dass ihre Kinder sich möglicherweise nicht trauen zu lächeln, weil sie ihre Zähne nicht zeigen mögen. Einige Eltern benötigen eine positive und motivierende Ansprache, während andere auf negative Folgen der ECC hingewiesen werden müssen, um die Bereitschaft zu einer Verhaltensänderung zu entwickeln. Manchmal kann es auch sinnvoll sein, ein „erfolgsloses“ Gespräch zusammenzufassen und später wieder aufzugreifen: Die Eltern gewinnen so Zeit, darüber nachzudenken und die Informationen in Ruhe abzuwägen.

Ist die Überzeugung erfolgt, so werden die Eltern zur Mitarbeit motiviert: Es soll erreicht werden, dass die Eltern das Putzen der Zähne ihrer Kinder als wichtiges Ziel sehen, dem sie eine gewisse Priorität einräumen. Dazu erhalten sie hilfreiche konkrete Handlungsanweisungen, z. B. wie die Zähne genau geputzt werden müssen und welche Ernährungsaspekte wichtig sind. Dabei werden die Autonomie der Eltern, ihre Entscheidungen und ihre Wünsche respektiert. Beispielsweise hat das Team hat viel Erfahrung mit Eltern, die kein Fluorid verwenden wollen. Solange keine Karies vorhanden ist, sehen die Kinderzahnärzte wenig Handlungsbedarf. Aber wenn sich Karies entwickelt, ist es wichtig, die Eltern durch ein Gespräch in eine akzeptable Richtung zu lenken: Empathisch die Bedenken aufzugreifen und zu signalisieren, dass es eine Entscheidung der Eltern ist. Man kann bei schwierigen Fällen den Fokus z. B. zunächst auf die Plaque-Entfernung richten. Im weiteren Verlauf ist es wichtig, vielfältige Schwierigkeiten oder Unsicherheiten zu identifizieren und gezielt zu beseitigen, damit die Verhaltensänderungen beibehalten werden, bzw. bei Rückfällen wieder weiter vorn anzusetzen.

Die Methode wurde in fünf Praxen in West Yorkshire getestet: Die Eltern erhielten Fragebögen und Informationsmaterial zur Ernährung und Mundhygiene. Die Kinder erhielten eine elektrische Zahnbürste sowie Zugang zu einer Zahnputz-App. Die Eltern filmten, wie zu Hause die Zähne geputzt wurden. Die Kinder wurden anfangs sowie nach zwei Wochen und zwei Monaten klinisch untersucht. 75 Prozent der Teilnehmer waren bis zum Ende der Studie dabei, von ihnen stammte etwa die Hälfte aus stark benachteiligten Gegenden.

Zu Beginn der Studie verwendeten 89 Prozent der Eltern Zahnpasta mit dem richtigen Gehalt an Fluorid, durch die Intervention waren es nach zwei Wochen und zwei Monaten 100 Prozent. Die Unterstützung beim Zähneputzen stiegt von anfangs 86 über 96 auf 89 Prozent an. Die Gewohnheit des Nicht-Ausspülens nach dem Putzen stieg von 81 auf 89 Prozent. Alle Vorgaben wurden zu Beginn der Studie von 28 Prozent der Teilnehmer erfüllt. Dieser Wert stieg durch die Intervention auf 54 bzw. 52 Prozent an. Unter den 3- bis 5-Jährigen nahm der Plaque-Index deutlich ab. Die Zufriedenheit mit der elektrischen Zahnbürste war zudem so groß, dass viele Eltern sich selbst eine angeschafft hatten.

Ist eine Kariesprophylaxe ohne Fluorid möglich?

Dieser Frage, die viele Zahnärzte und Patienten immer wieder beschäftigt, haben sich Prof. Dr. Ulrich Schiffner (Oberarzt am Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf) und Prof. Dr. Katrin Bekes (Leiterin des Fachbereichs Kinderzahnheilkunde an der Universitätszahnklinik Wien) in einem weiteren Vortrag gewidmet.

Weltweit hat Karies in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen. Der Kariesrückgang wird auf topisch angewendetes Fluorid zurückgeführt: Es remineralisiert den Zahn, wird in die Zahnhartsubstanz eingelagert und wirkt antibakteriell. Im Milchzahngebiss der 5-7-Jährigen erfolgte der Kariesrückgang jedoch langsamer: 2016 hatten 13,7 Prozent der Dreijährigen (jedes. 7. Kind) Karieserfahrung mit durchschnittlich 3,6 befallenen Zähnen pro Kind. Der Prophylaxe und frühzeitigen Behandlung von ECC kommt deshalb eine große Bedeutung zu. Diese erfolgt über Fluorid in Zahnpasta, deren Menge bzw. Konzentration an das Alter der Kinder angepasst wird. Zusätzlich werden heutzutage Fluoridlacke auch im Milchzahngebiss an Stellen mit hohem Kariesrisiko eingesetzt. Sie geben langfristig Fluorid ab, ohne dass toxische Nebenwirkungen beobachtet werden. In Deutschland übernehmen Krankenkassen zweimal jährlich die Kosten dieser Behandlung bei Kindern ab sechs Monaten. Dadurch werden auch bei kleinen Kindern bei weitem keine toxischen Konzentrationen erreicht.  Als einzige Nebenwirkung von Fluorid tritt Fluorose bei 15-25 Prozent der Kinder auf, die aber meist mild oder sehr mild ausgeprägt ist.

Während es viele Studien gibt, die den präventiven Wert von Fluorid eindeutig zeigen, liegen bislang nur wenige zu Fluorid-freien Produkten vor, und Meta-Analysen fehlen ganz. Ein großer Vorteil der herkömmlichen Produkte ist die Remineralisierung durch Fluorid, die den Zahn widerstandsfähiger gegenüber Säuren macht. Schiffner beantwortete deshalb die eingangs gestellte Frage mit der Schlussfolgerung einer systematischen Übersichtsarbeit aus 2018: „Eine persönliche Mundhygiene in Abwesenheit von Fluoriden hat keinen Nutzen in Bezug auf die Verringerung des Auftretens von Zahnkaries gezeigt.“[2]

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Quelle:

15. Kongress der European Academy of Paediatric Dentistry

IME 16-10226


[1] Tull K, Gray-Burrows KA, Bhatti A, et al. "Strong Teeth"-a study protocol for an early-phase feasibility trial of a complex oral health intervention delivered by dental teams to parents of young children. Pilot Feasibility Stud. 2019;5:100. Published 2019 Aug 13. doi:10.1186/s40814-019-0483-9

[2] Hujoel PP, Hujoel MLA, Kotsakis GA. Personal oral hygiene and dental caries: A systematic review of randomised controlled trials. Gerodontology. 2018;35(4):282-289. doi:10.1111/ger.12331


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