Steigern süße Lebensmittel das Verlangen nach mehr?
Die Annahme, dass der Verzehr von süßen Lebensmitteln und Getränken die Vorliebe für Süßes erhöht und dadurch den Konsum weiter steigert, ist weit verbreitet. Umgekehrt wird vermutet, dass eine Beschränkung des Konsums das Verlangen nach Süßem verringert und zu einer geringeren Aufnahme von freiem Zucker[1] führt. Die Auswirkungen wiederholt aufgenommener süßer Nahrungsmittel auf den Einfluss der Vorlieben und den Konsum von Süßem ist jedoch wissenschaftlich nicht gut untersucht.
Die meisten Studien zu dieser Frage haben nur bestimmte Lebensmittel, einzelne Mahlzeiten oder Getränke in den Blick genommen. Eine einzige Studie hat bislang die gesamte Ernährung betrachtet. Sie kam zu dem Ergebnis, dass eine eintägige süße Ernährung eher dazu führte, dass die Teilnehmenden später an einem Buffet verstärkt herzhafte Nahrungsmittel wählten.[2]
Da die Studie nur von sehr kurzer Dauer war, wurde der Zeitraum hier auf sechs Tage ausgedehnt, um zu schauen, ob eine längerfristig süße Ernährung entsprechende Effekte nach sich zieht.
Vergleich von Gruppen mit gleichbleibender, stärker und weniger süßer Ernährung
104 Teilnehmende wurden nach dem Zufallsprinzip drei Gruppen zugeordnet und dazu aufgefordert, ihren Konsum an süß schmeckenden Lebensmitteln und Getränken an sechs aufeinanderfolgenden Tagen zu erhöhen (n=40), zu verringern (n=43) oder unverändert zu lassen (n=21). Dafür wurden ihnen jeweils entsprechende Lebensmittel als Beispiele genannt, die geeignet waren, um die Veränderung zu erreichen (z. B. Obst, süße Gemüsesorten wie Tomaten, Mais und Karotten, gesüßte Lebensmittel und Getränke). Die Teilnehmenden waren in ihrer gewohnten Umgebung und konnten selbst entscheiden, was und wie viel sie aßen. In die Bewertung ging ein, wie gut sich die Teilnehmenden an die Aufgabe gehalten hatten.
An jedem Tag hielten die Teilnehmenden fest, wie groß ihr Verlangen nach Süßem und Herzhaftem war. Bei einem Geschmackstest mit verschiedenen Lebensmitteln gaben sie an, wie intensiv sie Süße empfanden, wie angenehm der Verzehr für sie war und wie viel sie von den entsprechenden Lebensmitteln gern essen würden. Außerdem wurde am siebenten Tag ihre Aufnahme von süßen Lebensmitteln und Getränken bei einem Frühstücksbuffet erfasst.
Nach sechs Tagen kaum Unterschiede
102 (98 %) Personen schlossen die Studie ab (zwei waren aus persönlichen Gründen zurückgetreten, die nichts mit den Studienbedingungen zu tun hatten). Wie zu erwarten war, hielten sich diejenigen an am besten an die geforderte Ernährungsweise, die keine Veränderungen vornehmen sollten. Diejenigen, die ihren Verzehr von süßen Lebensmitteln senken sollten, fanden dies schwieriger als diejenigen, die ihn erhöhen sollten.
Zu Beginn und an Tag 7 empfanden alle Teilnehmenden Süßes als angenehmer als herzhafte Speisen. Es fanden sich aber keine Unterschiede zwischen den Gruppen (p=0,14).
Beim Frühstückbuffet nahmen sie im Schnitt 2441 kJ aus Nahrung und Getränken auf, wobei 37 Prozent der Energie aus süßen Nahrungsmitteln und Getränken stammten. Auch hier fanden sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen.
Die Personen der Gruppe mit verringertem Konsum von süßen Lebensmitteln nahmen an Tag 7 die Intensität von süßem Geschmack stärker wahr als zu Beginn (p = 0,02). Wie angenehm ein Lebensmittel bewertet wurde, das Verlangen nach Süßem und die Aufnahme süßer Lebensmittel unterschieden sich an Tag 7 dagegen nicht (p = 0,14, 0,23 bzw. 0,09).
Die Aufnahme von Zucker zeigte Zusammenhänge mit der insgesamt aufgenommenen Menge an Nahrung (sowohl in Bezug auf das Gewicht als auch auf den Energiegehalt), aber nicht damit, wie groß der Appetit war oder wie intensiv die Süße beurteilt wurde. Die Autoren der Studie deuten dies als Anzeichen dafür, dass der Konsum von Süßem eher durch die Vorliebe für den süßen Geschmack bestimmt wird als durch eine hohe Intensität der Süße in Nahrungsmitteln.
Diese Ergebnisse wurden in Regressionsanalysen bestätigt, die die Einhaltung der Diäten berücksichtigten. Auch hier fanden sich mit Ausnahme der intensiveren Wahrnehmung von Süße keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen, was die Aufnahme oder das Verlangen nach süßen Lebensmitteln betraf.
Fazit
Eine Ernährungsumstellung hin zu weniger oder mehr süßen Nahrungsmitteln und Getränken über sechs Tage hatte im Anschluss keine Auswirkungen auf das Verlangen und deren Verzehr. Zwar wurde süßer Geschmack nach sechs Tagen mit weniger süßen Lebensmitteln als intensiver wahrgenommen, dies führte aber nicht zu einer veränderten Aufnahme. Die Autoren der Studie stellen die jetzigen Empfehlungen und weitere Bemühungen zur Reduktion des Konsums süßer Nahrungsmittel deshalb in Frage.
Quellen:
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Aleksandra D Bielat1, Peter J Rogers2, Katherine M Appleton1; k.appleton@bournemouth.ac.uk
1Department of Psychology, Faculty of Science and Technology, Bournemouth University, BournemouthBH12 5BB, UK; 2School of Psychological Science, University of Bristol, Bristol, UK
Effects of a six-day, whole-diet sweet taste intervention on pleasantness, desire for and intakes of sweet foods: a randomised controlled trial
Clinicaltrials.gov: NCT05672017
[1] Als „freie Zucker“ werden alle Zuckerarten verstanden, die Speisen und Getränken beigefügt werden, sowie Zucker, der natürlicherweise in Honig, Sirup, Fruchtsaftkonzentraten und Fruchtsäften vorkommt.
[2] Griffioen-Roose S, Hogenkamp PS, Mars M, Finlayson G & de Graaf C (2012) Taste of a
24-h diet and its effect on subsequent food preferences and satiety. Appetite 59(1), 1-8.