Kariespräventiver Nutzen der Fissuren- und Grübchenversiegelung
Im Kindes- und Jugendalter kommt es besonders an den Kauflächen der bleibenden Backenzähne zu Karies, da diese häufig Rillen und Einkerbungen im Bereich der Kauflächen aufweisen, die schwer zu reinigen sind. Am Tiefpunkt der Fissuren kann der Schmelz extrem dünn sein. Hinzu kommt, dass die ersten und zweiten Molaren beim Durchbrechen schlecht von der Zahnbürste erreicht werden; gleichzeitig dauert dieser Prozess bis zu zwölf Monate.
Auf der 31. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) präsentierte Prof. Dr. Jan Kühnisch, Leiter der Sektion Kinderzahnheilkunde am LMU Klinikum München, die kommenden evidenzbasierten Empfehlungen zur Fissuren- und Grübchenversiegelung. In seinem Vortrag schilderte er den aktuellen wissenschaftlichen Stand bei der Fissuren- und Grübchenversiegelung und die aktuellen Empfehlungen aus dem Leitlinien-Update: Im Rahmen der Überarbeitung wurde die Evidenz zum Nutzen der Fissuren- und Grübchenversiegelung für die Kariesprophylaxe und das Fortschreiten bei beginnender Karies fortgeschrieben. Er ist bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko eindeutig gegeben.[1]
Möglich ist die Versiegelung von gesunden Zähnen sowie bei beginnender Karies, bei der sich noch keine Kavitäten gebildet haben. Auch Zähne mit MIH können versiegelt werden, sofern die Hypomineralisation abgegrenzt und die Oberfläche nicht eingebrochen ist.
Indikationen und Kontraindikationen
Eine Versiegelung wird empfohlen bei:
- kariesfreien Fissuren und Grübchen mit kariesanfälligem Fissurenrelief,
- Kindern und Jugendlichen mit erhöhtem Kariesrisiko (z. B. bei Karieserfahrung im Milchgebiss und kariösen bleibenden Molaren),
- Fissuren und Grübchen mit nicht kavitierten kariösen Läsionen,
- Fissuren und Grübchen an hypomineralisierten oder hypoplastischen Zähnen,
- Fissuren und Grübchen bei Kindern und Jugendlichen mit Allgemeinerkrankungen bzw. körperlichen und/oder geistigen Behinderungen, denen die effektive tägliche Mundhygiene schwerfällt,
- teilweise oder komplett verloren gegangenen Versiegelungen – sie sollten repariert bzw. erneuert werden.
Nicht empfohlen wird die Versiegelung bei:
- Milchzähnen, die demnächst ausfallen,
- unvollständigem Zahndurchbruch (Trockenlegung nicht sicher möglich; evtl. kann eine Prä-Versiegelung mit Glas-Ionomer-Zement erfolgen),
- fortgeschrittenen, kavitierten kariösen Läsionen an Fissuren und Grübchen,
- Allergie gegenüber den Versiegelungsmaterialien oder Materialbestandteilen.
Wie läuft eine Fissurenversiegelung ab?
Die notwendigen Arbeitsschritte für eine Zahnversiegelung werden in der Leitlinie näher ausgeführt. Der Ablauf ist typischerweise folgendermaßen:
- Zunächst werden die Zähne gereinigt und untersucht, ob sie kariesfrei sind.
- Trockenlegung
- Damit sich der Versiegelungskunststoff optimal mit der Zahnoberfläche verbindet und eine lange Haltbarkeit erreicht, wird der Zahnschmelz an den betreffenden Stellen für 30 bis 60 Sekunden mit Phosphorsäuregel konditioniert.
- Auftragen des Versiegelungskunststoffes
- Lichtpolymerisation (i. d. R. 10 bis 20 Sekunden)
- Nach der Härtung erfolgt eine Kontrolle und ggf. Korrektur der Okklusion.
- Anschließend wird die Oberfläche poliert und Fluorid zur Remineralisierung aufgetragen.
Zahnversiegelungen sind nur effektiv, wenn sie vollständig intakt sind
Die Haltbarkeit der Versiegelungen ist generell gut: Pro Jahr geht etwa bei zehn Prozent der Versiegelungen Material verloren, nach zwei Jahren sind noch ca. 70 bis 80 Prozent der Versieglungen intakt.
Für eine gute Haltbarkeit empfiehlt die Leitlinie niedrigvisköse, methacrylat-basierte Versiegelungskunststoffe in Verbindung mit Säurekonditionierung. Die Haltbarkeit hängt aber nicht nur von den verwendeten Materialien und dem Vorgehen ab, sondern auch davon, wie gut die Trockenlegung gelungen ist (die u. a. von der Kooperation der Kinder und Jugendlichen abhängig ist).
Wichtig ist deshalb, dass Kontrolluntersuchungen regelmäßig wahrgenommen werden, damit festgestellt werden kann, ob eine Versiegelung repariert oder erneuert werden muss.
Quellen:
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Prof. Dr. Jan Kühnisch, München
31. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ), 26.-28.09.2024 in Erlangen
Aktuelle Fissurenversiegelung
[1]Ahovuo‐Saloranta A, Forss H, Walsh T, Nordblad A, Mäkelä M, Worthington HV. Pit and fissure sealants for preventing dental decay in permanent teeth. Cochrane Database of Systematic Reviews 2017, Issue 7. Art. No.: CD001830. DOI: 10.1002/14651858.