Informationskreis Mundhygiene und Ernährungsverhalten

Gut lachen mit gesunden Zähnen

Richtige Mundhygienefür gesunde Zähne und vitales Zahnfleisch

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Der Einfluss des Kauens auf die Magenentleerung

Die Volksweisheit, nach der das Kauen der Nahrung die Verdauungsleistung fördere, wird in einer kontrollierten Studie bestätigt. Gut gekauter Speisebrei wird rascher aus dem Magen entleert als grobe Brocken.

Die Volksweisheit ?gut gekaut ist halb verdaut? war schon im antiken Rom bekannt (prima digestio fit in ore = Die Verdauung beginnt im Mund). In der modernen medizinischen und zahnmedizinischen Literatur hat sie wenig Beachtung gefunden. Die meisten Arbeiten beschäftigen sich mit dem Zusammenhang zwischen Kauvorgang und Zahn- und Kieferentwicklung. Die wenigen Arbeiten zum Zusammenhang zwischen Kauvorgang und Verdauungsprozess liefern widersprüchliche Ergebnisse.

 

In einer epidemiologischen Studie klagten 60% der Befragten mit eingeschränkter Kaufunktion über unspezifische Verdauungsbeschwerden (Blähungen, Bauchkrämpfe, Völlegefühl, Obstipation, Diarrhoe); nach Korrektur der Kaubeschwerden (Zahnprothese u. a.) gingen die Verdauungsbeschwerden bei 85% der Testpersonen zurück [Mercier, P., P. Poitras: Gastrointestinal symptoms and masticatory dysfunction. J. Gastroenterol. Hepatol., 7 (1992), 61-65]. Dem steht eine Studie mit Trägern von Zahnvollprothesen gegenüber, nach der intensives Kauen die Homogenisierung des Speisebreis im Magen und die Magenentleerung nicht beeinflusst [Poitras, P., M. Boivin, J. Morias, M. Picard, P. Mercier: Gastric emptying of solid food in edentulous patients. Digestion, 56 (1995), 483-487].

 

Die vorliegende Untersuchung soll klären, wie weit die Magenentleerungszeit von festen Speisen bei Personen mit natürlichem, gesunden Gebiss durch den Kauvorgang, d. h. die Zerkleinerung der festen Nahrungsbestandteile, beeinflusst wird. Testpersonen (TP) sind 12 Studenten der Zahnmedizin (9 Männer, 3 Frauen; Alter: 18-35 Jahre) ohne subjektiv oder klinisch erkennbare Störungen der Kaufunktionen und/oder der Verdauungsleistung.

 

Die TP erhalten an 2 Tagen im Abstand von 1 Woche jeweils morgens nüchtern eine Mahlzeit (250 kcal) bestehend aus 1 Ei, zubereitet mit 10 g Butter, 21 g Schinkenwürfel (Seitenlänge: 5 mm), 25 g Hartkeks (crackers) und 500 ml Wasser. Das Eigelb ist mit 100 mg 13C-Caprylsäure radioaktiv markiert. Die Mahlzeit wird sitzend innerhalb von 10 Min. vollständig verzehrt, wobei an einem Tag alle Lebensmittel 50 x gekaut werden, an dem anderen Ei und Keks 25 x, der Schinken wird unzerkleinert geschluckt. Die Reihenfolge ist randomisiert.

 

Der Zerkleinerungsgrad der Schinkenwürfel nach 50 x Kauen wird gesondert bestimmt: Der Schinkenbrei wird ausgespuckt und die Partikelgröße unter fließendem Wasser mit Sieben unterschiedlicher Lochgröße ermittelt. Die Magenentleerungszeit wird gemessen über das ausgeatmete 13CO2 nach der Methode von Ghoos, Y. F. et al.: Measurements of gastric emptying rate of solids by means of a carbon-labeled octanoic acid breath test. Gastroenterology, 104 (1993), 1640-1647. Atemluft wird in der 1. Stunde alle 15 Min, in den 3 darauf folgenden Stunden alle 30 Minuten aufgefangen; das Isotopenverhältnis wird massenspektrometrisch bestimmt. Individuelle Unterschiede der Resorptions- und Oxidationsgeschwindigkeit der Caprylsäure werden dadurch ausgeglichen, dass alle TP ihre eigenen Kontrollen darstellen. Messparameter sind die Verzögerungsphase (lag phase = Tlag), d. h. die Zeitspanne, die erforderlich ist, um feste Speisepartikel durch Antrum-Kontraktionen auf ?1 mm (Größe der Pylorusöffnung) zu zerkleinern, und die Halbwertszeit (half-emptying time = T½), d. h. die Zeitspanne, bis die Hälfte des Mageninhalts durch den Pylorus entleert ist.

 

Die Magenentleerungszeiten aller TP liegen im Normbereich (Tlag: 32±20 Min; T½: 72±22 Min.). Beide Parameter, Tlag und T½, sind nach 50 x Kauen signifikant kürzer als nach 25 x Kauen und Schlucken der unzerkauten Schinkenwürfel (Tlag: 25,9±3,8 bzw. 36,4±4,1 Min.; T½: 49,1±5,7 bzw. 62,5±6 Min.; p = 0,009). Je größer der prozentuale Anteil der Schinkenpartikel ?1 mm nach 50 x Kauen ist, desto kürzer sind sowohl Tlag als auch T½.

 

Die Ergebnisse zeigen eine eindeutige Abhängigkeit der Magenentleerungszeit des Chymus von der Intensität des Kauvorgangs. Ausreichendes Kauen fester Speisen verkürzt die Zeit im Magen für die Zerkleinerung der Nahrungspartikel, so dass sie den Pylorus passieren können. Es ist anzunehmen, dass die Unterschiede bei einer größeren Mahlzeit, vor allem mit harten, ballaststoffreichen Lebensmitteln, z. B. rohes Obst/Gemüse, noch deutlicher ausfallen. Die auf den ersten Blick gegenteiligen Befunde von Poitras et al. mit Protheseträgern könnten die These noch erhärten, da der Kaueffekt von Zahnprothesen den eines gesunden, natürlichen Gebisses nicht erreichen kann. Hinzu kommen methodische Unterschiede.

 

Die Studie bestätigt die Bedeutung des adäquaten Kauens fester Nahrung für den Verdauungsprozess. Störungen der Kaufunktionen sollten bei der Diagnose von Maldigestion vermehrt berücksichtigt werden.


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