Informationskreis Mundhygiene und Ernährungsverhalten

Gut lachen mit gesunden Zähnen

Richtige Mundhygienefür gesunde Zähne und vitales Zahnfleisch

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Die Rolle der Ernährung in der Karies-Prävention

Mit der Einführung von Fluoridierungsmaßnahmen und konsequenter Mundhygiene haben sich Ätiologie und Prävalenz der Zahnkaries bei Kindern in den letzten 30 Jahren grundlegend verändert. Der Einfluss fermentierbarer Kohlenhydrate in der Nahrung hat erheblich an Bedeutung verloren.

In den meisten europäischen Ländern ist die Kariesprävalenz bei Kindern in den letzten 30 Jahren stark rückläufig bei nahezu gleichbleibendem Zuckerkonsum. Die Warnung vor Süßwaren und anderen zuckerreichen Zwischenmahlzeiten als wesentliche Faktoren für die Entstehung von Zahnschäden ist jedoch nach wie vor Bestandteil von Empfehlungen zur Zahngesundheit. Grundlage für die Empfehlungen ist die 1954 veröffentlichte Vipeholm-Studie, bei der über einen Zeitraum von 5 Jahren der Zusammenhang zwischen der Frequenz des Zuckerkonsums und der Kariesprävalenz untersucht wurde. Die Versuchspersonen hatten keinen Zugang zu adäquater Mundhygiene und/oder Fluoridierungsmaßnahmen. Damals ergab sich eine Korrelation zwischen der Häufigkeit des Verzehrs von klebrigen Süßwaren zwischen den Mahlzeiten und der Häufigkeit kariöser Läsionen, nicht aber zu Zucker als Bestandteil der Mahlzeiten.

 

Vor dem Hintergrund der flächendeckenden Präventionsmaßnahmen in vielen europäischen Ländern - Fluoridierung und verbesserte Mundhygiene auch im Kleinkindalter - bedarf die Zucker-Karies-Korrelation einer differenzierteren Betrachtung. Die Autoren der vorliegenden Arbeit sichten und bewerten die Literatur und entwickeln daraus ein neues Modell zur Kariesprävention.

 

Die Schwellenwert-Theorie besagt, dass bei einem Zuckerkonsum von <18kg/Kopf/Jahr nur selten Karies auftritt. Grundlage ist eine Studie an 12-jährigen Kindern in 47 Ländern [Sreebny, L. M.: Sugar availability, sugar consumption and dental caries. Community Dent. Oral Epidemiol., 10 (1982),1-7]. Die Daten zur Kariesprävalenz stammen von der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization?s Global Oral Epidemiological Bank), die zur Verfügbarkeit von Zucker von der Welternährungsorganisation. In 21 Ländern mit <18 kg Zucker/Kopf/Jahr liegt danach der mittlere DMFT bei 1,2±0,6; bei 18-44kg Zucker/Kopf/Jahr (18 Länder) zeigen sich bereits erhebliche Unterschiede: Für 9 Länder wird ein DMFT von 2±0,7, für die anderen 9 von 4,1±0,7 angegeben. Eine 1994 für 61 Entwicklungs- und 29 Industrieländern durchgeführte Studie findet keine Korrelation zwischen Zuckerkonsum und Karies. Dessen ungeachtet lässt die EU den Schwellenwert von 18, besser noch 10kg Zucker/Jahr für die Kariesprävention in ihrem Eurodiet Core Report. Nutrition and Diet for Healthy Life-styles in Europe: Science and Policy Implications. Public Health Nutrition, 4 (2001), 1-9 wieder aufleben; 60 g zugesetzter Zucker/Tag sollen danach 1,5 kariöse Läsionen/Jahr induzieren. Unberücksichtigt bleibt, dass in vielen Ländern Europas die Kinder nahezu kariesfrei bleiben bei einem durchschnittlichen Zuckerkonsum von >60 g/Tag.

 

Der Einfluss der Ernährung auf die Kariesprävalenz im Zusammenhang mit Fluoridierungsmaßnahmen wurde in den letzten 20 Jahren mehrfach untersucht. Epidemiologische Studien lassen bei flächendeckender Fluoridierung nur eine schwache oder gar keine Beziehung zwischen Zuckerkonsum und dem Auftreten kariöser Läsionen bei Kindern erkennen. Entscheidende Risikofaktoren sind Mundhygiene, Plaque-Index, Häufigkeit des Zähneputzens (mit fluoridierter Zahnpasta) sowie der sozioökonomische Status des Elternhauses. Nach Studien in England und Skandinavien entwickeln Jugendliche selbst bei extremem Zuckerkonsum (bis zu 175g/Tag) nur wenig mehr Läsionen als vergleichbare Schüler, die nur halb so viel Zucker verzehren; jeweils 5g zusätzlicher Zucker/Tag lassen die Wahrscheinlichkeit, Karies zu entwickeln, danach um 1% ansteigen. Anders bei Kleinkindern: Der häufige Verzehr von Süßigkeiten (>5/Tag) korreliert nach verschiedenen Studien signifikant mit der Anzahl kariöser Läsionen im Milchgebiss. Eine Ursache wird darin gesehen, dass konsequentes Zähneputzen (mindestens 2 mal täglich) in den ersten Lebensjahren häufig vernachlässigt und so der Besiedlung mit kariogenen Mundbakterien Vorschub geleistet wird.

 

Das kariogene Potential von Lebensmitteln, definiert durch die acidogene Wirkung auf die Plaque, ist ein Indikator für die relative Kariogenität eines Produktes; über die tatsächliche Kariogenität, d. h. den Langzeiteffekt beim Menschen, sagt es nur wenig aus. Bei guter Mundhygiene und regelmäßiger Fluoridsupplementation greifen vergärbare Kohlenhydrate den Zahnschmelz kaum an. Zu beachten ist auch, dass Glucose, Fructose, Maltose und stärkereiche Lebensmittel (Reis, Teigwaren) den pH-Wert der Plaque in ähnlicher Weise absenken wie Saccharose; das kariogene Potential eines Lebensmittels ist somit nur bedingt vom Saccharosegehalt abhängig.

 

Schließlich spielen lokale Faktoren in der Mundhöhle eine wichtige Rolle für die Kariogenese. An anatomisch schwer zugänglichen Stellen sammelt sich Zahnbelag an. Die pH-Wert-Absenkung nach Stimulation durch Zucker bleibt an diesen Belägen viel länger erhalten als an Kurzzeit-Plaque. Ernährungsmaßnahmen haben auf diese Besonderheiten keinen Einfluss; gefragt ist umfassende Mundhygiene.

 

Die Autoren entwickeln aus den geschilderten Zusammenhängen ein Modell für die Kariesprävention. Die 3 Hauptrisikofaktoren, unzureichende Fluoridsupplementa-tion, unzureichende Mundhygiene und Schutz durch Speichel, werden als sich überlappende Kreise dargestellt. Dahinter erscheinen die kariogenen Lebensmittel, dargestellt als weiterer Kreis in der Mitte. Je größer die Überlappungsfläche ist, desto größer ist das Kariesrisiko (?window of risk?). Bei großem Fenster (Vernachlässigung der Mundhygiene- und Fluoridierungsmaßnahmen) können Ernährungsmaßnahmen (weniger/seltener kariogene Lebensmittel) das Kariesrisiko reduzieren; bei kleinem Fenster (gute Mundhygiene, ausreichende Fluoridversorgung) ist der Einfluss gering.

 


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