Glykämischer Index und glykämische Last
Nahrungsmittel mit einem hohen glykämischen Index bewirken eine höhere und zügige Insulinausschüttung. Fällt der Insulinspiegel dann wieder ab, kann es angeblich zu Heißhunger kommen. Eine insgesamt niedrige glykämische Last durch eine Ernährungsweise mit entsprechenden Lebensmitteln verursacht geringere Schwankungen des Blutzuckers und des Insulinspiegels. Deshalb wird vermutet, dass Diäten mit niedrigem glykämischem Index oder niedriger glykämischer Last zu einem stärkeren Gewichtsverlust führen als andere. Um diese Annahme zu verifizieren, wurden in diesem Cochrane Review die Auswirkungen von Diäten mit geringer glykämischer Last bei Menschen mit Übergewicht oder Adipositas im Hinblick auf Gewicht, Lebensqualität, Nebenwirkungen und die Sterberate untersucht.
Analyse von zehn Studien mit 1.210 Teilnehmenden
In die Übersichtsarbeit wurden randomisierte klinische Studien mit einer Nachbeobachtungszeit von mindestens acht Wochen einbezogen, die die Auswirkungen von Diäten mit hohem bzw. niedrigem glykämischen Index (glykämischer Last) bei Erwachsenen mit Übergewicht oder Adipositas miteinander oder mit anderen Diäten oder mit einer Kontrolldiät verglichen haben. Dabei wurde nach gängigen Cochrane-Kriterien vorgegangen. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde nach GRADE eingestuft. Betrachtete Ergebnisvariablen waren u. a. die Veränderung des Körpergewichts und des Body-Mass-Index (BMI) sowie Stoffwechselparameter, Nebenwirkungen, kardiovaskuläre Risikofaktoren und die gesundheitsbezogene Lebensqualität. In die Übersichtsarbeit gingen zehn Studien mit insgesamt 1.210 Teilnehmenden ein. Davon waren 4,1 Prozent Kinder und 1,9 Prozent Erwachsene über 65 Jahre. Personen mit Typ-2-Diabetes wurden nicht in die Studie einbezogen. Die längste Nachbeobachtungszeit betrug 18 Monate.
Vergleich von Diäten mit niedriger und hoher glykämischer Last
Von den zehn eingeschlossenen Studien verglichen sieben Studien Diäten mit niedriger (233 Teilnehmer) und hoher glykämischer Last (222 Teilnehmer). Ob eine Diät Nahrungsmittel mit niedrigem oder hohem glykämischen Index bevorzugt, scheint für die Veränderung des Körpergewichts eine untergeordnete Rolle zu spielen: Die mittlere Differenz betrug 0,82 Kilogramm (95 % CI ‑1,92 bis 0,28; 7 Studien, 403 Teilnehmer; mäßige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Vier Studien deuten an, dass der BMI ebenfalls nicht von der glykämischen Last oder dem glykämischen Index beeinflusst wird (mittlere Differenz: -0,45 kg/m2, 95 % CI -1,02 bis 0,12; 186 Teilnehmer; Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit). Möglicherweise trägt eine Ernährungsweise mit einer niedrigen glykämischen Last zu einem besseren Wohlbefinden bei (eine Studie, 42 Teilnehmer).
Vergleich von Diäten mit niedriger glykämischer Last mit anderen Diäten
Drei Studien verglichen Diäten mit niedriger glykämischer Last (379 Teilnehmer) mit einer anderen Diät (376 Teilnehmer). Auch bei diesem Vergleich waren keine signifikanten Unterschiede zu verzeichnen (Körpergewicht mittlere Differenz -1,24 kg, 95 % CI -2,82 bis 0,34; 3 Studien, 723 Teilnehmer; Evidenz von mäßiger Vertrauenswürdigkeit/BMI mittlere Differenz -0,30 kg/m² , 95 % CI -0,59 bis -0,01; 2 Studien, 650 Teilnehmer; Evidenz von mäßiger Vertrauenswürdigkeit). Die gesundheitsbezogene Lebensqualität wurde in den Studien nicht untersucht.
Fazit
Diäten mit niedrigem und hohem glykämischem Index oder glykämischer Last sowie andere Diäten scheinen sich in Bezug auf die Veränderung des Körpergewichts und des BMI bei Menschen mit Übergewicht oder Adipositas kaum bis gar nicht zu unterscheiden.
Da eine der Hauptursachen für Adipositas ein Ungleichgewicht zwischen verbrauchten und aufgenommenen Kalorien ist, könnte die Energiebalance, beeinflusst durch die Menge und die Energiedichte von verzehrten Lebensmitteln, für den Gewichtsverlust somit eine größere Rolle spielen als die Komplexität der enthaltenen Kohlenhydrate und deren Wirkung auf den Blutzuckerspiegel.
Um eindeutige Schlussfolgerungen zu ziehen, liegen jedoch nicht genügend Daten von hoher Vertrauenswürdigkeit vor: Am höchsten ist der Evidenzgrad beim Körpergewicht, bei anderen Endpunkten gab es größere Unsicherheiten, u. a. verursacht durch kleine Stichprobenumfänge in den meisten Studien. Wie sich die einzelnen Diäten auf die Lebensqualität, auf Nebenwirkungen und auf die Sterberate auswirken, bleibt unklar.
Um diese Fragen zu klären und eine stärkere Evidenz zu generieren, empfehlen die Autoren randomisierte kontrollierte Studien mit größerer Aussagekraft und ausreichender Verblindung. Insbesondere fehlten Daten zur Einhaltung Diäten sowie Ergebnisse zu patientenrelevanten Endpunkten wie der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, die nur in einer der betrachteten Studie erfasst wurde.
Quellen:
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Chekima K1, Yan SW2, Lee SW3, Wong TZ4, Noor MI5,6, Ooi YB7, Metzendorf MI8, Lai NM9; khadijachekima@gmail.com.
1School of Biosciences, Faculty of Health and Medical Sciences, Taylor's University, Subang Jaya, Malaysia; 2School of Hospitality Management, Macao Institute for Tourism Studies, Macao, Macao; 3School of Pharmacy, Monash University Malaysia, Bandar Sunway, Malaysia; 4School of Food Studies and Gastronomy, Taylor's University, Subang Jaya, Malaysia; 5School of Culinary Arts and Food Studies, Taylor's University, Subang Jaya, Malaysia; 6Faculty of Medicine and Health Sciences, The National University of Malaysia, Kuala Lumpur, Malaysia; 7Faculty of Food Science and Nutrition, University Malaysia Sabah (UMS), Kota Kinabalu, Malaysia; 8Institute of General Practice, Medical Faculty of the Heinrich-Heine University, Düsseldorf, Germany; 9School of Medicine, Taylor's University, Subang Jaya, Malaysia.
Low glycaemic index or low glycaemic load diets for people with overweight or obesity.
Cochrane Database Syst Rev. 2023 Jun 22;6(6):CD005105. doi: 10.1002/14651858.CD005105.pub3.