Informationskreis Mundhygiene und Ernährungsverhalten

Gut lachen mit gesunden Zähnen

Richtige Mundhygienefür gesunde Zähne und vitales Zahnfleisch

Unbeschwert essen, trinken und lachen mit gesunden Zähnen

Was weiß man über Stillkaries?

Stillen hat viele Vorteile für Mutter und Kind. Aufgrund der enthaltenen Kohlenhydrate ist es jedoch möglich, dass zu häufiges Stillen zur frühkindlichen Karies beiträgt – insbesondere, wenn es bei älteren Kindern zur Beruhigung eingesetzt wird und nicht der Ernährung dient. Stillkaries ist ein äußerst kontroverses Thema, und bislang ist nicht eindeutig geklärt, ob und unter welchen Bedingungen Stillen zur Kariesentstehung beiträgt. Dieser Frage hat sich Prof. Dr. Christian Hirsch, Klinikdirektor der Poliklinik für Kinderzahnheilkunde und Primärprophylaxe am Universitätsklinikum Leipzig, auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde gewidmet.

Stillen hat viele Vorteile – aber gibt es auch Nachteile?

Stillen ist eine natürliche Ernährungsweise, die praktisch ist, nichts kostet und wissenschaftlichen Studien zufolge zahlreiche Vorteile für die Gesundheit von Mutter und Kind mit sich bringt. Auch für die orale Gesundheit sind positive Effekte bekannt, z. B. begünstigt der Saugprozess die gesunde Kieferentwicklung, sodass es seltener zur Malokklusion kommt.

Es ist allgemein bekannt, dass ausgedehntes Nuckeln an Fläschchen eine „Flaschenkaries“ begünstigt. Auch Muttermilch könnte kariogen sein, da sie sieben Prozent Kohlenhydrate enthält, etwa die Hälfte davon ist Glukose. Bereits vor etwa 100 Jahren wurde Stillkaries beschrieben. Über die Frage, ob bzw. unter welchen Umständen Stillen Karies fördert, besteht jedoch Unklarheit. Sie lässt sich schwer beantworten, da Stillkaries nur aus der Anamnese heraus angenommen werden kann: Wenn ein Kind mit Karies ausschließlich gestillt wird und keine andere Nahrung bekommt, ist sehr wahrscheinlich das Stillen die Ursache. Bei älteren Kindern ist dieser Schluss allerdings nicht möglich, da sie auch andere Nahrungsmittel und Getränke zu sich nehmen.

Die Tatsache, dass etwa 500 Millionen Kinder weltweit eine frühkindliche Karies haben, von denen die meisten gestillt werden oder wurden, lässt vermuten, dass es einen Zusammenhang gibt. In Ländern wie Nigeria stillen ärmere Mütter ihre Kinder länger. Die Kinder konsumieren wenig Zucker, da er für die Familien zu teuer ist. Dennoch kommt es dort häufiger zu frühkindlicher Karies. Auch dies kann als Hinweis auf Stillkaries gedeutet werden.

Was sagen Studien?

Wissenschaftliche Studien zu Stillkaries kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Einen Überblick bietet eine aktuelle Übersichtsarbeit[1], in die vier systematische Reviews mit insgesamt 92 Primärstudien aus den Jahren 1980 bis 2015 eingegangen sind. Sie kommt zu dem Schluss, dass Stillen über das Alter von zwölf Monaten hinaus einen positiven Zusammenhang mit frühkindlicher Karies zeigte. Auch nächtliches Stillen scheint Karies zu begünstigen. Mögliche Erklärungen dafür, warum Einschlafen während des Stillens die Entstehung von Karies fördert, sind eine geringe Speichelproduktion und die Bewegungslosigkeit der Zunge im Schlaf sowie im Mund verbleibende Muttermilch. Die Autoren der Studie mahnen jedoch weitere Forschungsarbeiten zu der Frage an.

Hirsch berichtete zudem von Ergebnissen aus eigenen Untersuchungen unter 597 Kindern zwischen ein und fünf Jahren. Von ihnen hatten etwa zehn Prozent Karies. Als wesentlicher Risikofaktor wurde Dentalplaque identifiziert. In Bezug auf das Stillen gab es eine inverse Beziehung bei partiellem Stillen im Alter von sechs bis zwölf Monaten: Stillen ging mit einem geringeren Kariesrisiko einher. Dies kehrte sich bei älteren Kindern um: Ab dem Alter von einem Jahr verdoppelte sich das Kariesrisiko bei gestillten Kindern. Als möglichen Grund führte Hirsch an, dass Stillen in diesem Alter nicht mehr der Ernährung dient, sondern der Beruhigung. Bei ausschließlichem Stillen besteht Kariesschutz, das ist bei Kindern über einem Jahr aber die Ausnahme.

In multivariablen Regressionsanalysen nahm der Effekt des Stillens ab. Diese weiteren Analysen sprechen dafür, dass nur Kohlenhydrate relevant sind, egal aus welcher Quelle sie stammen.

Außerdem zeigten sich Hinweise darauf, dass nicht das Stillen im Alter über zwölf Monaten das Risiko erhöht, sondern nächtliches Stillen ohne folgende Mundhygiene. Das zeigte sich bei Kindern über 18 Monaten, die noch zweimal pro Nacht gestillt wurden.

Hirsch leitete daraus folgende Empfehlungen ab:

  • Man sollte nicht grundsätzlich vom Stillen im Alter über zwölf Monaten abraten.
  • Eine Aufklärung über den Kohlenhydrat-Anteil in der Muttermilch ist notwendig.
  • Es sollte nur zur Nahrungsaufnahme gestillt werden.
  • Eine adäquate Mundhygiene ist essentiell.
  • Nachts sollte Kindern ab einem Jahr Wasser oder ungesüßter Tee gegeben werden.
  • Regelmäßige Zahnarztbesuche ab dem ersten Zahn sind wichtig: Die drei Frühuntersuchungen ab dem sechsten Lebensmonat beim Zahnarzt sollten wahrgenommen werden.

Fazit

Der Nachweis einer Stillkaries ist schwierig, denn Überlagerungen mit vielen anderen Faktoren erschweren es, den Effekt auf die Kariesentstehung zu ermitteln. Ausschließliches Stillen scheint jedoch protektiv zu wirken. Partielles Stillen über das Alter von einem Jahr hinaus ist dagegen insbesondere während der Nacht problematisch.

Quelle:
______________________________________

Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (22.-24.2022, Hamburg)

IME 16-10270

 


[1] Panchanadikar NT, S A, Muthu MS, H S, Jayakumar P, Agarwal A. Breastfeeding and its Association with Early Childhood Caries - An Umbrella Review. J Clin Pediatr Dent. 2022 Mar 1;46(2):75-85. doi: 10.17796/1053-4625-46.2.1.


Auf dem Laufenden bleiben

Sie können den Wissenschaftlichen Informationsdienst (WID) als E-Mail-Newsletter (erscheint viermal jährlich) kostenlos abonnieren. Melden Sie sich dafür hier an: