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Wo stehen wir mit der Prävention in Deutschland – welche möglichen Gründe sind für einen Anstieg der frühkindlichen Karies verantwortlich?

Warum greifen Präventionsprogramme nicht und wie schafft man es, Eltern in eine optimale Zahnpflege einzubeziehen? Auf dem diesjährigen Vorkongress der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) in Berlin widmete sich Prof. Dr. Alexander Rahman von der Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde der Medizinischen Hochschule Hannover der Frage, wieso frühkindliche Karies trotz jahrzehntelanger Bemühungen immer noch so stark verbreitet ist.

Zahlen, Daten und Fakten

Im Auftrag der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e.V. (DAJ) wurden in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach Epidemiologische Begleituntersuchungen durchgeführt, die u. a. die Kariesprävalenz bei Kindern und Jugendlichen erfassen. Innerhalb von 22 Jahren zeigte sich zwar ein Rückgang frühkindlicher Karies, aber als Erfolg kann dies noch nicht gewertet werden, denn im Jahr 2016 hatten in Berlin immer noch fast 60 Prozent der untersuchten Kinder frühkindliche Karies. Hochgerechnet auf Deutschland handelt es sich um fast 90.000 Fälle. Laut dem Barmer Report 2020 haben 54 Prozent der Zehnjährigen bereits mindestens eine Kariestherapie hinter sich, 33 Prozent der Zwölfjährigen im bleibenden Gebiss. Zehn Prozent Kinder und Jugendlichen verursachen 85,2 Prozent der Therapiekosten für Zahnbehandlungen, die wegen Karies notwendig werden. Etwa 720.000 Kinder im Alter bis sechs Jahre waren noch nicht beim Zahnarzt.

Folgen der frühkindlichen Karies sind frühzeitiger Zahnverlust, kieferorthopädische Probleme wie Zahnengstände, Ernährungs- und Sprachprobleme durch fehlende Zähne sowie ein störendes Erscheinungsbild, das betroffenen Kindern oft peinlich ist.

Durch Präventionsmaßnahmen und die Gruppenprophylaxe in Kindergärten und Schulen wurde schon viel erreicht, die Situation ist aber noch nicht optimal: Immer noch ist frühkindliche Karies eine der häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter. Erschwerend kommt hinzu, dass die Interaktion mit den Eltern betroffener Kinder häufig problematisch ist.

Gründe für frühkindliche Karies

Nach wie vor spielt der sozioökonomische Status für das Auftreten von Milchzahnkaries eine große Rolle: In deprivierten Kommunen haben bis zu 90 Prozent der Kinder frühkindliche Karies. Präventionsmaßnahmen erreichen Migrantinnen häufig nur schlecht. Auch Kinder von Alleinerziehenden sind häufiger erkrankt. Dennoch kommt frühkindliche Karies durchaus auch in sozial gut gestellten Familien und bei Kindern von Eltern mit einem hohen Bildungsniveau vor; hier spricht man von Wohlstandskaries, bei der es sich oft um eine Stillkaries handelt, wenn Kinder über das erste Lebensjahr hinaus häufig gestillt werden.

Typische Gründe für frühkindliche Karies sind schlechte Angewohnheiten: Das Säuglings- und Kleinkindalter ist wichtig für die Entwicklung von Ritualen und Gewohnheiten. Das kann der Grundstein für eine gute, aber auch für eine mangelhafte Mundhygiene sein: Videobeobachtungen zeigen, dass Kinder so (schlecht) putzen wie ihre Eltern. Kindertagesstätten und Kindergärten gleichen dies nicht immer aus, denn auch heutzutage werden Zahnpflege und Mundhygiene nicht flächendeckend in allen Einrichtungen umgesetzt. Untersuchungen ergaben, dass darüber hinaus die Frühuntersuchungen in den Jahren 2019 bis 2022 noch nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen wurden. Zahnarztangst kann ein Grund dafür sein: Wenn Mütter (häufig unbewusst) ihre negative Haltung auf das Kind übertragen, kann es viel Geduld erfordern und lange dauern, bis ein Kind sich auf eine Behandlung einlässt.

Weiter gibt es zahlreiche Fehlinformationen, die in wissenschaftlicher Aufmachung daherkommen und von schlecht informierten Ärztinnen und Ärzten propagiert werden. Als Beispiel nannte Rahman das Buch „Karies heilen“ aus dem Jahr 2012, das argumentativ mit Halbwahrheiten arbeitet.

Vorbeugung von der Schwangerschaft an

Die gesamte Lebensphase von der Geburt bis zum Ende des Milchzahngebisses ist für die Kariesprävention wichtig, da frühkindliche Karies schnell voranschreitet. Deshalb setzt die Prävention heutzutage bereits in der Schwangerschaft an. Früher gab es die Redewendung „Jede Schwangerschaft kostet die Mutter einen Zahn“. Eine Befragung von 700 Schwangeren aus dem Jahr 1985 ergab, dass sechs Prozent der werdenden Mütter tatsächlich mindestens einen Zahn verloren haben. Etwa die Hälfte der Frauen waren in der Schwangerschaft nicht beim Zahnarzt, knapp 60 Prozent hatten Zahnfleischbluten.

20 Jahre später hatten sich die Zahlen zwar verbessert, waren aber immer noch nicht zufriedenstellend. Von 600 Frauen gaben im Jahr 2005 2,2 Prozent an, mindestens einen Zahn verloren zu haben. 38 Prozent waren nicht beim Zahnarzt und 35 Prozent hatten Zahnfleischbluten.

Doch auch Zahnärztinnen und Zahnärzte haben offene Fragen bei der Behandlung: Wissenschaftliche Studien aus den Jahren 2010 und 2011 ergaben, dass zwar 63 Prozent der Wöchnerinnen in der Schwangerschaft beim Zahnarzt waren, man dort bei 32 Prozent aber nicht ausreichend auf die Schwangerschaft eingehen konnte. So gab es z. B. Unklarheit darüber welche Behandlungen in der Schwangerschaft möglich sind.

Frühe Hilfen sehen vor, dass Hebammen und Familienbegleiterinnen auch auf die Kariesprophylaxe eingehen. Teilweise haben jedoch Hebammen selbst Probleme mit der Mundhygiene, erkennen den Bedarf und deren Bedeutung nicht oder sind schlecht informiert. 2009 bis 2014 gab es zwar einen Anstieg der Wahrnehmung, dass Frühprävention ab der Schwangerschaft wichtig ist, jedoch haben gleichzeitig die Empfehlungen für Fluoride abgenommen. Dies lässt erkennen, dass mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit nötig ist.

Seit 2016 gibt es Verweise aus dem gelben Kinderuntersuchungsheft (U-Heft) auf zahnärztliche Untersuchungen, die eine Prävention von 6 Monaten bis 18 Jahren vorsehen. Nicht zuletzt sind unversorgte kariöse Läsionen ein Indikator für die Vernachlässigung von Kindern. Rahman rät, sich im Zweifelsfall an die Kinderschutzhotline oder an das Jugendamt zu wenden.

Quellen:
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Prof. Dr. Alexander Rahman

Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde, Medizinische Hochschule Hannover.

Vorkongress der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ), Berlin, 28.09.2023.


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