Informationskreis Mundhygiene und Ernährungsverhalten

Gut lachen mit gesunden Zähnen

Richtige Mundhygienefür gesunde Zähne und vitales Zahnfleisch

Unbeschwert essen, trinken und lachen mit gesunden Zähnen

Zusammenhang zwischen der Art der Zahnabnutzung und unterschiedlichen Ernährungsmustern bei heute und bei im Mittelalter lebenden Personen

Der Einfluss der Ernährung auf Art, Ausmaß und Position der Zahnabnutzung wird am Gebiss 3er Personengruppen gleichen Alters dargestellt ? Deutschland im frühen Mittelalter (Schädelfunde), Rohköstler (säurereiche Kost) und randomisierte Klinikpatienten (mitteleuropäische Mischkost).

Die Abnutzung der Zahnoberfläche (tooth wear) ist ein multifaktorieller Vorgang. Man unterscheidet den mechanischen Abrieb (attrision/abrasion) und die säureinduzierte Erosion (erosion). Zur Klassifizierung der Schäden werden 2 Methoden angewandt, die morphologische Abgrenzung der Erosionen und ihre Einteilung nach Schweregrad (Gruppen I-IIIa-d) [Eccles, J. D.: Dental erosion of nonindustrial origin. A clinical survey and classification. J. Prosthet. Dent., 42 (1979), 649-653] und die einheitliche Bewertung aller Läsionen nach dem Grad der Abweichung von der normalen anatomischen Form (Ausdehnung, Tiefe) auf einer Skala [Smith, B. G., Knight, J. K.: An index for measuring the wear of teeth. Br. Dent. J., 156 (1984), 435-438].

 

Beide Verfahren haben Schwachpunkte: Die Differenzierung zwischen mechanisch und chemisch verursachten Läsionen allein nach morphologischen Kriterien ist insbesondere bei älteren Personen problematisch; bisherige Untersuchungen beziehen sich auf Einzelfälle oder kleine Gruppen ohne Validierung der Befunde. Die einheitliche Bewertung aller Läsionen erlaubt andererseits keinen Rückschluss auf die Ätiologie.

 

Die vorliegende, experimentelle Studie prüft die Hypothese, nach der unterschiedliche Ernährungsweisen makroskopisch klar differenzierbare morphologische Veränderungen der Zahnoberfläche nach sich ziehen sollen. Das Gebiss von 3 Bevölkerungsgruppen wird untersucht:

hohe mechanische Beanspruchung der Zähne: Schädelfunde aus Hessen und Bayern aus der Zeit von 400-800 n. Chr. (n = 102; Alter der Personen nach anthropologischen Kriterien: 42,3±15,3 Jahre). Grundnahrungsmittel jener Zeit war grobes Brot mit hohem Ballaststoffanteil (bis zu 2 kg/d), oft altbacken, schwer zu kauen, verunreinigt mit groben Partikeln, u. a. durch Abrieb vom Mahlstein. Hinzu kommen Bier/Wein, wechselnde Mengen an Gemüse und Obst und etwas Käse. extrem säurehaltige Kost: Rohköstler (n = 100; Alter: 40,9±11,2 Jahre); das Ernährungsmuster wurde in einer Erhebung am ernährungswissenschaftlichen Institut der Universität Gießen ermittelt (62% Obst, davon 4,8 Portionen Zitrusfrüchte/d, alles vorwiegend unverarbeitet). mitteleuropäische Mischkost: randomisiert ausgewählte Patienten der Universitätszahnklinik Gießen (n = 100; Alter: 36,7±11,7 Jahre). Die Gruppe gilt als repräsentativ für das in westlichen Industrieländern vorherrschende Ernährungsverhalten (Western diet).

Für die Untersuchung der Gruppen 2 und 3 werden Gebissmodelle verwendet, für Gruppe 1 die Originale.

 

In einer Vorstudie werden Abrieb/Läsionen der Zahnoberfläche nach Position (Kaufläche; Schneide- und Eckzähne; Seitenflächen der Molaren/Prämolaren bukkal, oral und an den Zahnzwischenräumen), Art und Ausdehnung (Furchen, Facetten, Höhlen) und Tiefe der Kavitäten bzw. Ausmaß des Substanzverlustes klassifiziert, für die Kauflächen nach Grad 1-4 (1 = minimaler Substanzverlust; Zahnhöcker und Zahnfurchen morphologisch intakt; 4 = Zahnoberfläche um mehr als die Hälfte reduziert), für Eck- und Schneidezähne nach Grad 1-3 (1 = Zahnkrone intakt, minimaler Abrieb an den vorderen Ecken; 3 = >1/3 der Zahnkrone zerstört), für Zahnseitenflächen nach der Tiefe der Läsion in Grad 1-2 (< bzw. >1mm). Die Analysen werden von einem Experten ausgeführt in randomisierter Reihenfolge, die Methoden von einem anderen geeicht.

 

Die Substanzverluste an den Kauflächen unterscheiden sich nach Ausmaß, nicht jedoch nach Form; sie sind am stärksten ausgeprägt in Gr. 1 (Grad 1:2:3 = 9:50:34% der Zähne), gefolgt von Gr. 2 (Grad 1:2:3 = 25:60:8% der Zähne) und Gr. 3 (Grad 1:2:3 = 33:48:0,1% der Zähne). Grad 4-Läsionen werden nicht festgestellt. Auffallend sind die tiefen Kavitäten in Gr. 1; kleine Facetten finden sich bevorzugt in Gr. 3.

Substanzverluste an Eck- und Schneidezähnen sind in allen Gruppen verbreitet, vorwiegend labial Facetten und flache Kavitäten, im Oberkiefer in Einzelfällen auch oral. Nahezu alle Frontzähne der Gr. 1 weisen Grad 2-Defekte auf (Medianwert: 100%; Mittelwert: 77±33); zum Vergleich die Gr. 2 und 3: 72 bzw. 56% (Median) und 63±38 bzw. 55±36% (Mittel). Der Unterschied zwischen Gr. 1 und den Gr. 2 und 3 ist signifikant.

 

Die stärksten Unterschiede finden sich an den Zahnseitenflächen (smooth surfaces). Gr. 1 weist bukkal praktisch keine Läsionen auf, oral nur vereinzelte. In Gr. 2 haben 75 bzw. 24% der untersuchten Gebisse mindestens 1 Läsion < bzw. >1/3 der Oberfläche, davon 7% Grad 2. Die vergleichbaren Werte für Gr. 3 sind 13 bzw. 2%, davon 3% Grad 2. Zahnhalskaries und gleichmäßige V-förmige Defekte sind auffallend häufig in Gr. 2, viel seltener in Gr. 3.

 

Die Ergebnisse bestätigen die Korrelation zwischen Ernährung und Art und Ausmaß der Zahnläsionen. Ernährungsbedingte morphologische Unterschiede zeigen sich an den Zahnseitenflächen, nicht jedoch an Kauflächen und Frontzähnen. Bei Letzteren ist allein der Schweregrad der Läsion ausschlaggebend für die Beurteilung. Für epidemiologische Studien zur Zahngesundheit empfehlen die Autoren deshalb ein kombiniertes Verfahren, das morphologische und quantitative Kriterien berücksichtigt.


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